Herrenhaus Niederjahna
- Gelebte Geschichte Gestalten-
 

Das Herrenhaus um 1920 mit großer Toreinfahrt ins Rittergut.

Zur Geschichte des Herrenhauses Niederjahna

 

Niederjahna ist ein Dorf zwei Kilometer nordöstlich von Meißen. Es gehört heute zur Gemeinde Käbschütztal im Landkreis Meißen. Im Zentrum des Dorfes befindet sich das Rittergut Jahna, welches ursprünglich den Kern des Dorfes bildete. Allerdings ist der ehemalige Gutshof infolge der Bodenreform aufgesiedelt worden - die Dorfstraße führt mitten durch ihn hindurch und die ehemaligen Wirtschaftsgebäude, Stallungen und Scheunen gliedern sich heute in verschiedene Grundstücke. Nur auf den zweiten Blick erkennt man das ehemals einheitliche Ensemble.

Das Rittergut hat sich aus einem mittelalterlichen Herrensitz entwickelt, der vermutlich im 12. Jahrhundert entstanden ist. Zur Grundherrschaft gehörten die Dörfer Niederjahna, Nimtitz, Mehren, Seebschütz, Sieglitz, Stroischen und Questenberg. Oberjahna hingegen gehörte teils zum Schulamt Meißen und teils zum Rittergut Hof. Dennoch trug das Rittergut den amtlichen Namen „Jahna“.

Das Herrenhaus des Ritterguts Jahna ist das älteste Bauwerk in Niederjahna. Es wurde wahrscheinlich ursprünglich als Wasserburg an der Stelle des heutigen Herrenhauses angelegt. Alte, verschüttete Kellergemäuer und Scherbenfunde deuten auf eine frühe Erbauungszeit hin. Um 1580 wurde das Herrenhaus in der heutigen Form durch Hans von Schleinitz (1540–1613) auf Schieritz, Zehren und Jahna errichtet. Er war, wie die Wappen am Portal und an der eisernen Tür des Gewölberaumes im Erdgeschoss belegen, mit Maria von Sundhausen (1545–1613) verheiratet.

Portal mit den Wappen der Familien Schleinitz und Sundhausen.


Als zweigeschossiges Gebäude mit steilem Satteldach, jedoch ohne Turm, folgt es der spätgotischen Bautradition, die bis nach der Mitte des 16. Jahrhunderts, angereichert durch Formengut der Renaissance, das Baugeschehen in Sachsen prägte.
1689 übernahm Hans Dietrich von Miltitz (1631–1697) auf Siebeneichen das überschuldete Rittergut.  1691 veranlasste der Kreissteuereinnehmer und Inspektor der Landesschule St. Afra gemeinsam mit seiner zweiten Frau Ursula Perpetua Pflugk einen grundlegenden Umbau des Hauses, bei dem Obergeschoss, Giebel und Dach zu großen Teilen neu aufgebaut wurden. Daran erinnern ein Relief über dem Renaissanceportal mit Darstellung des Hans Dietrich von Miltitz vor dem gekreuzigten Christus und der Jahreszahl 1691, sowie eine Wappentafel am östlichen Giebel.


Die Wappentafel am Giebel trägt neben den Monogrammen eine gereimte Inschrift, die christliches Bekenntnis und Familienbewusstsein herausstellt:

"Der diß Haus hatt auff gebaut / und zu Ende Steht benandt / Wünscht daß Gott ob mann gleich Schaut / hier nicht großer Künstler hand / nur darinn Ihm und den Seinen / Stets mit hülffe Wohl erscheinen / Hanß Diettrich von Miltitz / uff Sieben-Eichen Jahna und Korbitz / Churfürstl. Sächß. Cammer Herr."


Entgegen der demütigen Inschrift bediente sich der Rittergutsbesitzer bei der Gestaltung der Innenräume durchaus der Künstlerhand, die mit aufwendigen Deckenmalereien verziert wurden (siehe Deckenmalerei).
1724 ließ Wilhelm Friedrich von Thumbshirn die bemalten Holzbalken-decken – die offenbar seinem Geschmack nicht mehr entsprachen – mit einfachen Putzdecken und einer Stuckdecke im Saal des ersten Obergeschosses verkleiden. Erst in den Jahren 2000 und 2012 wurden die Deckenmalereien wieder freigelegt.  

Über die Jahrhunderte wechselten die Besitzerfamilien ständig (siehe unten: Zeittafel). Erwähnenswert erscheint, dass 1898 der Herrschaftssitz an Wilhelmine von Ende fiel. Sie war verheiratet mit Max von Heineken auf Bollensdorf, dem letzten männlichen Nachfahren von Carl Heinrich von Heineken (1707-1791) auf Altdöbern und Bollensdorf, Sekretär und Generalintendant des Grafen Heinrich von Brühl (1700-1763).

Ihre Tochter, Margarethe von Heineken, heiratete 1887 Gotthard Freiherr von Bischoffshausen (1852-1911). Bis 1945 blieb das Rittergut im Besitz dieser hessischen Adelsfamilie.


Vor dem Herrenhaus, um 1910.

1914 wurde über den angrenzenden Kellergewölben aus dem 16. Jahrhundert ein Seitengebäude errichtet, in dem sich moderne Sanitäranlagen und mehrere Wohnzimmer befanden. Dieser Gebäu-detrakt wurde durch eine hölzerne Galerie mit dem Hauptgebäude verbunden.

Nach der Bodenreform wurden beide Gebäude als Wohnraum für Flüchtlingsfamilien genutzt. In der DDR nutzte man die Gebäude als Gemeindeverwaltung, Kindergarten, Kulturraum, Nähstube oder Verkaufsstelle.

1998 wurde das Herrenhaus an einen Privatmann veräußert, der erste Sanierungsmaßnahmen durchführte und einige Deckenmalereien freilegte. Der Übergang zum Nachbargebäude wurde abgetragen.

Wintergarten und Übergang zum Seitengebäude um 1960.

2010 übernahm der Kunsthistoriker Dr. Matthias Donath das Gebäude und ließ es umfassend sanieren. Dabei wurden weitere wertvolle Deckenmalereien freigelegt.

Das Herrenhaus wird als Wohn- und Geschäftshaus genutzt. Es ist der Sitz des Zentrums für Kultur//Geschichte, einer Forschungseinrichtung mit Archiv und Bibliothek zur Geschichte des sächsischen Adels, und des Donatus-Verlages.

Weitere Informationen zur Geschichte des Ortes ffinden Sie im Heft 4/2017 der Sächsischen Heimatblätter:


Zeittafel zur Besitzerfolge des Herrenhauses Niederjahna


  • um 1200

Herausbildung   eines Herrensitzes

  • um 1370

Jahna im Besitz   der Familie von Maltitz

  • 1437

Besitzübergang an   die Familie Mönch

  • 1579

Hans von   Schleinitz (1540–1613) auf Schieritz und Zehren erwirbt das Rittergut   Jahna.

  • um 1580                          

Neubau des Herrenhauses durch Hans von Schleinitz und seiner Ehefrau Maria  von Sundhausen (1545-1613)

  • 1609/10           
     

Hans von   Schleinitz errichtet den Jahnaischen Hof in Meißen. Dieser Freihof befindet   sich bis 1945 durchgehend im Besitz des Rittergutes Jahna.

  • 1613

Der Besitz geht   an den Sohn Heinrich von  Schleinitz (1573-1654) auf Jahna und    Jahnishausen über.

  • 1654

Da Heinrich von Schleinitz keine Kinder hat, erbt  sein Neffe Joachim   Heinrich von Schleinitz (1627-1678) den Besitz. Dieser ist mit Ursula   Perpetua Pflug verheiratet. Die Witwe heiratet in  zweiter Ehe Hans   Dietrich von Miltitz auf Siebeneichen, der 1686 das Rittergut übernimmt.

  • 1686

Hans Dietrich von Miltitz (1631-1697) auf Siebeneichen erwirbt das verschuldete Rittergut von  Hans Christoph von Schleinitz und Hans Sigismund von Schleinitz.

  • ab 1691

Um- und Ausbau des Herrenhauses, Neuerrichtung der Giebel, Einbau bemalter  Holzbalkendecken  in allen Geschossen

  • 1697

Jahna fällt an die Tochter Maria Elisabeth von Thumshirn, geborene von  Miltitz (gest. 1703), Witwe des Adolf Friedrich von Thumbshirn auf    Frankenhausen und Kaufungen (gest. 1687).

  • 1703

Der älteste Sohn   Wilhelm Friedrich von Thumbshirn erbt das Gut.

  • 1728

Wilhelm Friedrich von Thumbshirn stiftet einen Familienfideikommiss, einer  der seltenen Stiftungen dieser Art in Sachsen. Bei Ausbleiben männlicher  Nachkommen können auch weibliche Nachfahren und Seitenverwandte nachfolgen.

  • 1729

Da Wilhelm Friedrich von Thumbshirn kinderlos stirbt, fällt Jahna an seine  Schwester Erdmuthe Sophie von Thumbshirn (1676-1730), in zweiter Ehe  verheiratet mit Christian von Griesheim (1668-1737) auf Langen Elxleben.

  • 1730

Da auch die Ehe der Erdmuthe Sophie von Griesheim kinderlos war, fällt der   Fideikommiss an die jüngere Schwester Maria Sophie von Thumbshirn,   verheiratet mit Adolf Benjamin von Theler auf Wohla und Gersdorf.

  • 1759

Nachfolger wird der zweite Sohn Johann Friedrich von Theler (1706-1780),  verheiratet mit Magdalene Friederike von Griesheim (1709-1770), der Tochter  seines Onkels Christian von Griesheim aus erster Ehe.

  • 1780

Es folgt sein Sohn Christian Wilhelm von Theler (gest. 1800), der   unverheiratet ist und keine Kinder hat.

  • 1800

Nachfolgestreit. Ansprüche auf den Fideikommiss erheben Henriette Benigna  von Scheidt, vermählte von Leipziger, sowie Carl Benjamin von Ende  (1754-1813). Er ist der Sohn der Christine Charlotte von Theler, der jüngsten Schwester des Christian Wilhelm von Theler, und des Gottlob Ferdinand von Ende auf Taubenheim und Munzig. Die Gerichte sprechen den Fideikommiss Carl Benjamin von Ende zu, weil er männlichen Geschlechts ist.

  • 1813

Es folgt der älteste Sohn Carl Heinrich von Ende. Er hatte mit Charlotte   von Britzke sechs Kinder, von denen fünf den Fideikommiss Jahna nacheinander   innehaben. In zweiter Ehe heiratete er Louise von der Planitz.

  • 1849/50

Oskar von Ende übernimmt den Fideikommiss. Es folgt sein jüngerer Bruder   Arthur von Ende.

  • 1866

Arthur von Ende fällt 1866 im Krieg gegen Preußen auf dem böhmischen   Kriegsschauplatz. Es folgt sein Bruder Curt. Das Rittergut ist seit 1866 an  Julius Oskar Gießmann verpachtet.

  • 1867

Curt von Ende   stirbt an den Folgen der im Krieg gegen Preußen zugezogenen Verletzungen. Es   folgt die Schwester Luise von Ende, die unvermählt ist.

  • 1896

Nach dem Tod der Luise von Ende fällt der Fideikommiss an ihre Schwester   Anna von Ende, die ebenfalls unvermählt ist.

  • 1898

Anna von Ende stirbt. Damit fällt der Fideikommiss an ihre jüngere   Stiefschwester Wilhelmine („Mimmi“) von Ende, verheiratete von Heineken, die   Tochter des Carl Heinrich von Ende aus seiner zweiten Ehe mit Louise von der   Planitz. Wilhelmine von Ende ist verheiratet mit Max von Heineken auf   Bollensdorf, dem letzten männlichen Nachfahren von Carl Heinrich von Heineken  (1707-1791) auf Altdöbern und Bollensdorf, Sekretär und Generalintendant des  Grafen Heinrich von Brühl (1700-1763).

  • 1914

„Mimmi“ von Heineken stirbt. Es folgt ihre einzige Tochter Margarethe von   Heineken, seit 1887 verheiratet mit Gotthard Freiherr von Bischoffshausen  (1852-1911), Mitglied einer hessischen Adelsfamilie. Als letzte Nachfahrin   der Familie von Heineken war sie seit 1886 Fideikommissherrin in Bollensdorf   bei Dahme (Niederlausitz). Indem sie 1914 auch das Rittergut Jahna übernahm,   trat der seltene Fall ein, dass eine Frau Besitzerin von zwei Fideikommissen   war, die eigentlich nur in männlicher Linie vergeben werden sollten.

  • 1914

Neubau eines Seitengebäudes des Herrenhauses Jahna über älteren   Kellergewölben des 16. Jahrhunderts, mit vorgelegter Galerie (Wintergarten)   und Übergang zum Herrenhaus.

  • 1923

Der älteste Sohn Günther von Bischoffshausen (1890-1972), verheiratet mit  Petra Freiin von Hardenberg (1895-1971), übernimmt die Bewirtschaftung des  Ritterguts. Eigentümerin bleibt auch nach Aufhebung der Fideikommisse seine  Mutter Margarethe Freifrau von Bischoffshausen, die überwiegend in   Bollensdorf wohnt und nur im Frühjahr und Herbst Jahna besucht.

  • 1945

Enteignung und Flucht der Familie von Bischoffshausen nach Hessen.   Aufteilung des Ritterguts infolge der Bodenreform. Das Herrenhaus geht an die  Gemeinde über. Im Gebäude werden die Gemeindeverwaltungen, Wohnungen und ein  Kulturraum untergebracht.

  • 1952

Margarethe Freifrau von Bischoffshausen, letzte Fideikommissherrin auf  Bollensdorf und Jahna, stirbt in Berge bei Witzenhausen, dem hessischen   Stammsitz der Familie von Bischoffshausen.

  • 1953

Im Seitengebäude   des Herrenhauses wird ein Kindergarten eröffnet.

  • 1974

Gründung der Gemeinde Jahna-Löthain. Die Gemeindeverwaltung ist im  Herrenhaus untergebracht. Im Erdgeschoss befindet sich eine Verkaufsstelle und im Dachgeschoss eine öffentliche Nähstube. Daneben sind im Herrenhaus mehrere Wohnungen eingerichtet. Das Seitengebäude dient als Kindergarten.

  • 1979

Verlegung des  Kindergartens in einen Neubau.

  • 1994

Die Gemeinde Jahna-Löthain geht in der Gemeinde Käbschütztal auf. 1996 wird die Gemeindeverwaltung nach Krögis verlegt. Das Herrenhaus steht leer.

  • 1998

Die Gemeinde Käbschütztal verkauft das Herrenhaus an Lutz und Andrea   Hering. Durchführung erster Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen.

  • 2005

Das Herrenhaus steht leer. Es ist nach Neuverlegung von Leitungen nicht   mehr an das Wasser- und Abwassernetz angebunden.

  • 2010

Erwerb durch Dr.   Matthias Donath

  • ab  2011

Beginn einer denkmalgerechten Sanierung und Restaurierung, Freilegung  weiterer Deckenmalereien.      


Weitere Informationen dazu finden sie in:  
Sächsische Heimatblätter, Ausgabe 4/2017: Lommatzscher Pflege.